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Wie gewinne ich einen Liederwettbewerb – Hintergründe und Anleitung für Interessierte

Datum:
Veröffentlicht: 2.4.03
Von:
Bernd Hackl

(Artikel für Music und Message 03-2003)

Zunächst einmal: Es geht hier um einen Lieder-, nicht einen Band-/Chorwettbewerb – also steht die notierte Musik mit Text, nicht aber die Einspielung/Aufführung dieses Liedes im Vordergrund (bei letzterem würden ja die musikalischen Fähigkeiten der Band- oder Chormitglieder, evtl. auch deren Bühnenpräsenz sowie die technische Qualität des eingesandten Materials mitbewertet werden; eine Audioversion des Liedes war deshalb im hier beschriebenen Wettbewerb nicht gefordert)! Ich stütze mich in diesem Artikel vor allem auf meine Erfahrungen mit dem deutschlandweit ausgeschriebenen Liederwettbewerb der „Werkstatt Neues Geistliches Lied“ der Erzdiözese Bamberg 2002 zum Thema „Gottesbegegnungen“:

Wir suchten (Zitat aus der Ausschreibung) „neue Impulse für die Jugendchor- und Bandarbeit“ in den Gemeinden, d.h. möglichst innovative Lieder, die aber auch in einer „ganz normalen“ Gemeinde unserer Erzdiözese ausführbar sein sollten (also keine abgehobenen „Kunstwerke“) – Lieder zum Vor- und v.a. zum Mitsingen, auch Lieder für die Liturgie ...! Das Thema „Gottesbegegnungen“ ließ textlich eine große Bandbreite zu. Mitmachen durfte jeder Komponist/Texter in Deutschland (Achtung: bisweilen gibt es eine regionale Eingrenzung der Teilnahme bei derartigen Wettbewerben). Zugelassen waren neben komplett (bezüglich Text und Melodie) neuen Liedern auch Neuvertonungen von bereits veröffentlichten Texten (und umgekehrt neue Texte zu bereits veröffentlichten Melodien); dazu gab es eine Sonderkategorie für Experimentelles (von Rap/HipHop zu Cluster und Klang-Collagen). Wichtig (auch aus rechtlichen Gründen): Bei Verwendung von Fremdmaterial muss unbedingt vor der Einsendung die Erlaubnis der Rechtsinhaber eingeholt werden (und meist verlangen die Veranstalter der Wettbewerbe auch eine Überlassung der Rechte am eingesandten Lied für eine evtl. Veröffentlichung der Siegertitel). Zur Beurteilung der eigenen Chancen ist es im Vorfeld evtl. auch nützlich, neben der Zielrichtung des Wettbewerbs die Zusammensetzung der Jury zu beachten (sind z.B. nur klassische Kirchenmusiker beteiligt?).

Worauf haben wir nun bei der Auswahl der insgesamt 180 eingegangenen Beiträge geachtet?

Wie oben schon erwähnt: Wurde das inhaltliche Thema getroffen?

Wir begegneten den Liedern (auch wenn eine Demo-CD beilag) gemäß der Ausschreibung nur in Form des Liedblattes (mit Text, Melodie, evtl. Chorsatz, und Akkorden). Bei den Jury-Sitzungen wurden die vorher bereits versandten Leadsheets von einem unvoreingenommenen, nicht professionellen Korepetitor, der bisher weder Noten noch evtl. Aufnahme kannte, auf dem Klavier vom Blatt weg begleitet und von den Jury-Teilnehmern angesungen; mit dieser Methode erhofften wir uns größtmögliche Objektivität und gleichzeitig Gemeindenähe (die Lieder sollten sich – abgesehen von der Sonderkategorie – möglichst in einem ersten Zugang durch Laien unmittelbar, d.h. ohne Demo bzw. Arrangementhilfe, erschließen lassen).

Unsere Kriterien für die Beurteilung der Lieder (in freier Anlehnung an die bewährte „Wellenbrecher“-Liedkartei des DKV – Dt. Katecheten-Verein – in München) in Kürze:

Melodie

- Tonumfang/Notierung (a-d’’)?

- Eingängige, d.h. nachvollziehbare (aber nicht altbekannte) Melodieführung?

- Modulation, ungewohnte Tonsprünge?

- Spannungsbogen?

- Melodierhythmus = Sprachrhythmus?

- Klare Gliederung, übersichtliche Länge?

Harmonik/Rhythmus

- Langweilige, abgenutzte Harmoniefolgen?

- Zu viele zu schwierige „Griffe“?

- Eingängige, zu Melodie und Text passende Rhythmik?

- Künstliche rhythmische Verschiebungen/Taktwechsel?

- Grundstimmung der Liedaussage/des Liedtyps?

Inhalt und Aussage

- Verständlicher, allgemein nachvollziehbarer, der aktuellen Lebenswirklichkeit naher Text?

- Richtige (Theologie/Gottes-, Menschen- und Kirchenbild) und wichtige (Lebensrelevanz) Aussage?

Ist das Lied ein Glaubens- und Lebenslied (oder für eine rein innerkirchliche Szene geschrieben)?

- Textcharakter (biblisch, meditativ, bekenntnishaft, informativ – oder nur moralisierend/indoktrinierend)?

- Sprache

- Wissenschaftlich theologisierend? Kirchensprachliche und dogmatische Lee(h)rformeln?

Oder jugendnaher Ausdruck (ohne in rein gruppenspezifischen Slang abzugleiten)?

- Bildersprache?

- Reime, Versmaß („Stolpersteine“)?

- Spannungen zwischen Wortwahl und Inhalt?

Verwendungskontext und Kreativität

- Mitsing- oder Vortragslied (wir suchten eher das erstgenannte)?

- Wirkung des Liedes ohne aufwändiges Arrangement, also in ganz einfacher Besetzung?

- Angesprochener Adressatenkreis (möglichst generationenübergreifend)?

- Pädagogisch wertvoll?

- Innovativer Umgang mit Melodie/Text?

- Anregungen zur kreativen Umsetzung ins Bildhafte, Spielerische, Tänzerische im Lied angelegt?

- Ganzheitliche Ansprache des Zuhörers (Verstand/Gefühl/Seele)?

Freilich gab es keinen eingesandten Beitrag, der alle diese Kriterien voll erfüllte. Und doch haben wir nach vielen Stunden lebhafter Diskussion in mehreren Stufen Lieder finden können, die wir (begründbar) für besonders empfehlenswert hielten und deshalb in Sing- und Arrangementheft (30) bzw. auf CD (14 Lieder aus dem Singheft – im Abschlusskonzert erklungen; aus ihnen wurden schließlich von der Jury die Preisträger gewählt) veröffentlicht haben. Schließlich ließen wir im Abschlusskonzert des Wettbewerbs dann nachträglich doch auch die Präsentation und Atmosphäre eines Liedes (durch die Komponisten/Texter mit ihren Ensembles) mitbewerten, indem das Auditorium nach Vorstellung der Lieder (wie bei einem „Grand Prix“) selbst einen „Preis des Publikums“ vergeben durfte.

Insgesamt jedenfalls war dieser – und ist jeder Wettbewerb für alle Teilnehmer eine spannende, anregende Möglichkeit, seiner eigenen Kreativität freien Lauf zu lassen und damit selbst zur Vielfalt neuer religiöser Lieder beizutragen (bzw. sich auch von den „Konkurrenten“ zu Neuem anregen zu lassen)! Es lohnt sich also – und Wettbewerbe gibt es, wenn man nur die Augen offen hält, ja genug!

NGL-Diözesanreferent Bernd Hackl, Nürnberg/Bamberg