Mit Jesus in die Charts - Und was wollen wir wirklich?
(Artikel für Music und Message 03-2003)
Um die Frage gleich zu beantworten: Freilich kann ein im Profigeschäft gelandeter Hit ein großes Publikum erreichen (und es damit auch mit christlicher Botschaft in Berührung bringen) – aber zu welchem Preis? Nun, viele Vertreter der katholischen Seite (der Schreiber dieser Zeilen auch) sehen in der Tat das – etwas provozierend formuliert - Anbiedern an den Kommerz und an den nivellierten, schnelllebigen Musikgeschmack einer an der Oberflächlichkeit bleibenden Massengesellschaft ebenso wie die Verlockung von Erfolg und Medienpräsenz der Akteure eher als Gefahren denn als Chancen eines vorbehaltlosen Gangs an die breite Öffentlichkeit.
Was setzen wir aber nun dagegen? Denn: Musik und Gesang als bereichernde, das alltägliche Dasein heraus hebende Kunst- und Kulturformen sind natürlich dennoch hoch geschätzt! Also (so anfechtbar jede Verallgemeinerung ist): In Ergänzung zur vornehmlichen Förderung professioneller Musiker (und damit im Vordergrund dem Bereitstellen von Auftrittsmöglichkeiten bzw. dem Veranstalten großer, mit hervorragenden Protagonisten besetzten „Events“) bei evangelischen Institutionen und Verbänden geht es vielen katholischen „Anbietern“ im christlichen Musiksektor eher um Motivation und Qualifizierung lebendiger Gemeindearbeit mit dem Medium der (stilistisch sehr weit gefassten) religiösen Musik, die von dieser Gemeinde aus dann auch auf das außerkirchliche Leben ausstrahlen kann, d.h. Kirchenfremde anspricht. Neben (und zum Teil auch in) einigen Großprojekten einzelner (professioneller, aber nichtkommerzieller) Komponisten und Musiker, in die oft auch viele engagierte Laien aus Gemeinden vor Ort mit eingebunden sind, steht zumeist ein liturgischer Lebensvollzug im Mittelpunkt. Ein Beispiel, das auch am 29. Mai 2003 beim Ökumenischen Kirchentag – ÖKT – 2003 in Berlin (im Saal 2 des ICC) zu sehen sein wird: Gregor Linßen aus Neuss, einer der ganz großen Neuentdeckungen im Bereich des sog. Neuen Geistlichen Liedes in den letzten Jahren, schreibt, obwohl ausgebildeter Musiker, Hochschuldozent und unerschöpflicher Komponist mit eigenem Verlag (editoNgl), nicht für die Charts, bewirbt sich nicht bei den Grand-Prix-Vorentscheiden in Deutschland, sondern nahm 2002 einen Auftrag des Bistums Freiburg an, das in der Jugendseelsorge neue, aber dezidiert religiös „unverwässerte“ Wege gehen wollte und daher eine Musikwallfahrt zu Franz von Assisi durchführte, deren Ziel (neben dem geographischen) die Einstudierung und Aufführung des von Linßen dafür neu komponierten und getexteten Oratoriums „Adam – Die Suche nach dem Menschen“ war; alle Teilnehmer hatten auch Anteil an dem Gesamtprojekt. Es ging also um bleibendes spirituelles Erleben (mit popularmusikalischen Mitteln), nicht um Starkult, nicht um kurzfristiges Aufschwingen ekstatischer Gefühle, die meist schnell wieder verblassen - und nicht um ein Vorführen, sondern ein aktives, kreatives Mitvollziehen der vom Komponisten präsentierten Musik! Und die „Hits“, die dabei gesungen und nach Haus getragen werden, sind gemeindefähig, d.h. zumindest teilweise auch für ungeübte Besucher von Gottesdienstes und Gemeindekreisen zu Hause mitsingbar (was bei der oft vorhandenen Altersstruktur unserer Gemeinden auch bedeutet, Rücksicht auf die immer noch vorhandene Unkenntnis der englischen Sprache bei älteren Gemeindegliedern zu nehmen). Unaufdringlich, nicht (allzu) laut, aber geistreich (in sprachlicher wie musikalischer Gestalt) soll sie sein, die Musik, die zu Gott führen kann, die also wirklich eine geistliche Musik ist. Dabei versucht sie durchaus Elemente aus der gerade aktuellen Musikszene (seit „Eminems“ Erfolgen z.B. wieder neu auch der Rap) aufzunehmen und zu verarbeiten – ohne dabei einfach nur zu kopieren, was oft austauschbar im Einheitsbrei der Popindustrie geboten wird (klingt etwas polemisch, ist aber doch oft wirklich so – oder?). Nehmen wir noch ein paar weitere Beispiele: Der Kirchenmusiker Thomas Gabriel, der, klassisch ausgebildet, sich als (Bach-)Jazzer im säkularen Bereich seinen Namen gemacht hat, komponiert auch in heutiger Zeit noch Messgesänge für sein Erzbistum Mainz (mit Elementen aus Ethno-Klängen v.a. Lateinamerikas, gregorianischem Choral und Jazz) und tritt als Mensch gerne hinter seine Werke zurück – oder das Ensemble „Entzücklika“ aus dem schwäbischen Obermarchtal, dessen drei Protagonisten, allesamt studierte Theologen, sich als Musiker (mit eigenen Veröffentlichungen) selbstständig gemacht haben, ohne Interesse an irgendwelchen „Charts“ zu haben, und derzeit mit der ihnen ganz spezifisch eigenen Mischung aus Abendgesängen (oft liegen Choräle zu Grunde, die mit modernem Pop neu „aufgemischt“ werden) durch die Gemeinden Süddeutschlands ziehen, heilende Musik für Leib und Seele und damit eine Art von Gottesdienst mit Musik versprechend – oder die Herausgeber der neuen Werkhefte (mit CD) der kath. Landjugendbewegung in Bayern, die eine Bereicherung des traditionellen Hochgebets in der Abendmahlsfeier mittels sphärischer Klangteppiche und unter die Haut gehendem Rhythmus zu einfachen, auch für die Gemeinde nachvollziehbaren Gesängen schaffen und so das oft Wiederholte neu und unerwartet zu Gehör bringen.
Auch die Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz im Jugendhaus Düsseldorf (mit Dr. Peter Hahnen als dem Referenten für Musik und Ministrantenpastoral) verfolgt ähnliche Ansprüche und Ziele; deren neue Zentral-Homepage bietet übrigens einen guten Überblick über die katholische „Szene“ des sog. „Neuen Geistlichen Liedes“ (NGL) (www.ngl-deutschland.de). Und – um abschließend noch auf ein regionales Beispiel einzugehen – die „Werkstatt NGL“ in der Erzdiözese Bamberg (aktuelles Programm und weitere Infos unter www.ngl-bamberg.de) beschreibt ihr Arbeitsprofil folgendermaßen (Zitat aus der Homepage): „Die „Werkstatt“ führt im Rahmen ihrer Möglichkeiten in der ganzen Erzdiözese regelmäßig Workshops durch, gestaltet Gottesdienste und Konzerte mit NGL, veranstaltet ein jährliches Festival religiöser Lieder auf Burg Feuerstein, besucht auf Anfrage Bands und Chöre vor Ort und hilft bei praktischen Fragen rund um das NGL. Sie gibt Arbeitshilfen und Notenmaterial heraus, fördert die Entstehung neuen Liedguts (z.B. im deutschlandweiten Liederwettbewerb „Gottesbegegnungen“ 2002), vertritt die Anliegen von Musikern, Sängern und Komponisten in der Erzdiözese und knüpft/hält Kontakte zur bundesweiten, ökumenischen ‚NGL-Szene’.“
Übrigens: Auf dem ÖKT gestaltet die „Werkstatt NGL“ als Vertreter der bayerischen Bistümer zusammen mit dem Verband für Popularmusik der Evangelischen Landeskirche Bayern einen gemeinsamen Stand in der Halle der Kirchenmusik (23) auf dem Messegelände in Berlin – besuchen Sie uns doch einmal!
NGL-Diözesanreferent Bernd Hackl, Nürnberg/Bamberg